Sachverhalt:
Eine Privatperson P3 aus Polen (=letzter Abnehmer) bestellt bei einem deutschen Händler U2 (=1. Abnehmer) eine Maschine. Da der Händler U2 die Maschine nicht auf Lager hat, bestellt er diese beim französischen Großhändler U1 (=erster Lieferer). Der deutsche Unternehmer U2 holt die Maschine vom französischen Großhändler U1 ab und liefert diese direkt an die Privatperson P3 nach Polen. Der deutsche Unternehmer U2 (=Zwischenhändler) tritt mit seiner französischen USt-IdNr. auf und teilt diese dem französischen Großhändler U1 vor Beginn der Beförderung (bzw. Versendung) schriftlich im Auftragsdokument mit. Kurzbeschreibung des Reihengeschäfts:
- Registrierungspflichten:
- Der deutsche Unternehmer U2 muss sich im Abgangsland Frankreich registrieren lassen.
- "Lieferung 1" von U1 (Frankreich) an U2 (Deutschland)
- Ruhende Lieferung gem. § 3 Abs. 7 UStG
- Steuerbare Lieferung in Frankreich (U1)
- "Lieferung 2" von U2 (Deutschland) an P3 (Polen)
- Besondere Merkmale dieses Reihengeschäfts
- Da der deutsche Unternehmer U2 gegenüber dem französischen Unternehmer U1 seine französische USt-IdNr. angibt, findet die Bestimmung des § 3 Abs. 6a UStG (Art. 36a Abs. 2 MwStSystRL) Anwendung. Dadurch tritt U2 als Lieferer auf und die bewegte Lieferung verlagert sich auf das Umsatzgeschäft zwischen U2 und P3.
- Da der deutsche Unternehmer U2 als Lieferer auftritt und P3 eine Privatperson ist, liegt gem. § 3c Abs. 1 UStG ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf vor. Es kommt daher für die Lieferung von U2 an P3 (seit 1.7.2021) zur Lieferortverlagerung gem. § 3c Abs. 1 UStG nach Polen. Der Unternehmer U2 kann jedoch bei Erfüllung aller Voraussetzungen am besonderen Besteuerungsverfahren gem. § 18j UStG teilnehmen (EU-OSS) und erspart sich dadurch ggf. eine Registrierung im Bestimmungsland Polen.
Detailbeschreibungen aus der Sicht der einzelnen Unternehmer: Aus der Sicht des ersten Lieferers U1 (aus Frankreich):Ausgangsrechnung:
- Fakturierung:
Diese Lieferung ist in Frankreich (U1) steuerbar. Die Rechnung muss daher mit 20 % französischer Umsatzsteuer unter Angabe der eigenen (französischen) USt-IdNr. ausgestellt werden.
- Umsatzsteuervoranmeldung (UVA):
Erfassung des Umsatzgeschäfts als steuerpflichtige (Inlands-)Lieferung.
Aus der Sicht des ersten Abnehmers U2 (aus Deutschland):Registrierung:- Der deutsche Unternehmer U2 muss sich im Abgangsland Frankreich registrieren lassen und gegenüber U1 mit seiner französischen USt-IdNr. auftreten. Die nachfolgend angeführten Eintragungen sind dementsprechend in der französischen UVA und Intrastat einzutragen.
Eingangsrechnung:
- UVA (beim französischen Finanzamt):
Die in der Eingangsrechnung enthaltene französische Umsatzsteuer kann als Vorsteuer geltend gemacht werden und ist dementsprechend in der UVA zu erfassen.
Ausgangsrechnung:
- Fakturierung:
Diese Lieferung ist aufgrund der Lieferortverlagerung gem. § 3c Abs. 1 UStG in Polen steuerbar. Bei Ausstellung einer Rechnung muss diese daher mit 23 % polnischer Umsatzsteuer ausgestellt werden.
- UVA (beim französischen Finanzamt):
Durch die Teilnahme am besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG ist zwar keine steuerpflichtige Lieferung in der französischen UVA zu melden, aber das Umsatzgeschäft muss in der deutschen UVA in der Zeile 35/KZ 45 (nicht im Inland steuerbare Umsätze) gemeldet werden. Zusätzlich muss dieses Umsatzgeschäft im EU-OSS-Portal gemeldet und die Umsatzsteuer dementsprechend abgeführt werden.
- Intrastat-Meldung (bei der französischen Behörde):
Versendungsmeldung mit Bestimmungsland Polen. Seit 2022 ist auch das Ursprungsland anzugeben und es gelten weitere neue Berichtspflichten: Anstelle einer USt-IdNr. ist für eine Privatperson (P3) die fiktive Nummer QN999999999999 anzugeben und bei "Art des Geschäfts" ist der Code 12 (anstelle des bisherigen Codes 11) anzugeben. Hinweis: Überschreitet der deutsche Unternehmer U2 im Bestimmungsmitgliedstaat (Polen) die umsatzsteuerliche Lieferschwelle (sowie die INTRASTAT-Meldeschwelle des Bestimmungsmitgliedstaates), so ist er auch für den dortigen Wareneingang auskunftspflichtig!
Aus der Sicht des letzten Abnehmers P3 (aus Polen):- Den letzten Abnehmer treffen als Privatperson keine Meldeverpflichtungen.
Anmerkungen zum Reihengeschäft:
- Obige Detailbeschreibungen aus der Sicht der einzelnen Unternehmer stellen nur einen Anhaltspunkt dar, wie die steuerrechtliche Beurteilung wäre, wenn in Frankreich und in Polen die deutschen Gesetze gelten würden. Ebenso in der Reihengeschäft-Skizze wie auch in der Kurzbeschreibung wurden nationale Abweichungen zur deutschen Gesetzeslage nicht berücksichtigt!
- Mit BMF-Schreiben vom 25.04.2023 wurde der UStAE betreffend der umsatzsteuerlichen Behandlung von Reihengeschäften komplett überarbeitet (Einarbeitung der Quick Fixes). Ab diesem Datum ist es für den deutschen Unternehmer U2 (der in diesem Beispiel durch die Verwendung einer französischen USt-IdNr. als Lieferer auftritt) wesentlich, dass er wie im 3.14. Abs. 10 UStAE ausgeführt nachweisen kann, dass er die USt-IdNr. bereits vor Ausführung der Lieferung an den französischen Unternehmer U1 übermittelt hat (idealerweise schriftlich im Auftragsdokument).
- Die englische Version finden Sie im chaintransaction-calculator.de.
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